29. April 2022
Moderne Flächendesinfektionsmittel haben einiges mehr als bloß eine zuverlässige Wirkung zu bieten. Sie sind obendrein sparsam, effizient, haben oftmals geringe Einwirkzeiten, sind haut- und materialschonend und vor allem: nutzerfreundlich. Gerade in der Nutzerfreundlichkeit wurden in den letzten Jahren durch Ready-to-use-Systeme große Fortschritte erzielt.

Auch wurden mittlerweile einige nicht unbedenkliche Kinderkrankheiten ausgemerzt. Derweil findet die Forschung neue Ansätze, wie man in Zukunft wohl zumindest einen Teil der Flächen mehr oder weniger automatisch von Keimen befreien könnte.

Flächendesinfektionssysteme

In der Flächendesinfektion hat sich mittlerweile die Wischdesinfektion klar gegen die Sprühdesinfektion durchgesetzt, zum einen wegen ihrer höheren Wirksamkeit, zum anderen aufgrund des geringeren Gesundheitsrisikos (keine Aerosolbildung). In der Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren beispielsweise wird die Sprühdesinfektion nicht einmal mit einem Wort erwähnt. Bei der Wischdesinfektion unterscheidet man indes zwischen drei Systemen: 1. Flächendesinfektion ohne spezifizierte Tücher, 2. Tuchtränkesysteme (also mit spezifizierten Tüchern) sowie 3. Ready-to-use-Tuchsysteme. Bei ersteren beiden unterliegt die Dosierung des Desinfektionsmittels dem Nutzer. Das mag von Vorteil sein, wenn etwa entweder von einer sehr geringen oder von einer besonders starken Kontamination auszugehen ist. Aufgrund der Unsichtbarkeit von Mikroben ist dies in der Regel allerdings schwer abzuschätzen, weshalb diese beiden Systeme eher die Gefahr von Unterdosierung oder eben Verschwendung (samt der damit verbundendenen Auswirkungen auf die Umwelt) in sich bergen.

Die Ready-to-use-Variante mit bereits vorgetränkten Tüchern hat demgegenüber den Vorteil, dass jedes Tuch mindestens für die Desinfektion einer klar definierten Fläche (von einigen Quadratmetern) ausreicht. Eine Schwachstelle bei einigen Produkten liegt allerdings darin, dass die äußeren oder oberen Tücher im Spender eine geringere Tränkung aufweisen als die inneren bzw. darunterliegenden, was zu Schwankungen in der Wirksamkeit führt. Einige Hersteller haben dieses nicht unerhebliche Manko, das durchaus ein Sicherheitsrisiko darstellen könnte, inzwischen durch spezielle Imprägnierungsverfahren beseitigen können. Wichtig ist außerdem, dass die Tücher auch bei längerem Gebrauch vor Austrocknung geschützt werden. Hierzu werden zumeist Spendereimer verwendet, aus denen sich einzelne Tücher entnehmen lassen, während die übrigen Tücher sicher im Eimer verbleiben. Manche Hersteller bieten ihre Ready-to-use-Produkte alternativ in Sicherheitsverpackungen an, die keine zusätzlichen Spendereimer benötigen und somit noch schneller einsatzbereit sind. Die Vorteile gebrauchsfertiger Wischsysteme spiegeln sich in ihrem großen Marktanteil wider, der den der beiden anderen Systeme bei Weitem übersteigt.

Zertifikate und Listen

Die Wirksamkeit der verschiedenen auf dem Markt verfügbaren Produkte ist oftmals – zusätzlich zu den Anforderungen der Zulassung gemäß Biozid-Verordnung – durch Zertifizierungen und Listungen untermauert. Unter anderem führt das RKI, wie bereits erwähnt, eine Liste mit anerkannten Desinfektionsmitteln und -verfahren. Auch der Industrieverband Hygiene & Oberflächenschutz (IHO) oder der Verbund für Angewandte Hygiene e. V. (VAH) führen umfangreiche Produktlisten. Um die Wirksamkeit von Ready-to-use-Systemen zu testen (die systembedingt nicht mit einem deutlichen Flüssigkeitsüberschuss arbeiten), hat der VAH vor einigen Jahren den sogenannten 4-Felder-Test entwickelt, der 2015 auch als EU-weites Standardverfahren in der Norm EN 16615 anerkannt wurde. Durch das quantitative Testverfahren lässt sich die bakterizide, levurozide, fungizide, mykobakterizide und sporizide Wirksamkeit der gebrauchsfertigen Desinfektionstücher beurteilen.

Wirkspektrum und Einwirkzeit

Alle vom VAH zertifizierten Desinfektionsmittel sind grundsätzlich mindestens bakterizid und levurozid (wirksam gegen Hefepilze). Die bakterizide Wirksamkeit schließt weitgehend auch multiresistente Keime (MRSA) mit ein, da die Desinfektionsmittel im Gegensatz zu Antibiotika große Teile der Bakterienzellen unspezifisch angreifen. Eine zwischen 1997 und 2015 in zwei Krankenhäusern in Melbourne durchgeführte Studie zeigte allerdings, dass bestimmte MRSA – in diesem Fall das Bakterium Enterococcus faecium – durchaus Toleranzen gegenüber Desinfektionsmitteln bzw. den darin wirksamen Alkohol entwickeln können.

Der VAH sieht einen Zusammenhang zwischen solchen temporären Toleranzen (die auch wieder verschwinden können) und langen Einwirkzeiten der verwendeten Mittel. Die Vereinigung empfiehlt daher – im Einklang mit der Europäischen Chemikalienagentur ECHA – bei hochfrequentierten Flächen wie etwa im patientennahen Umfeld Einwirkzeiten von maximal fünf Minuten. Seit August 2020 / Anfang 20/21 zertifiziert der VAH auch Mittel zur Desinfektion von Flächen und Medizinprodukten mit einer Einwirkzeit von nur einer Minute. Der Trend geht also gewissermaßen hin zu immer kürzeren Einwirkzeiten. Allerdings sind Desinfektionsmittel mit langen Einwirkzeiten für weniger frequentierte und sensible Flächen, die z. B. nur einmal am Tag desinfiziert werden müssen, nach wie vor sinnvoll.

Die meisten für den medizinischen Bereich anerkannten Desinfektionsmittel sind neben ihrer bakteriziden und levuroziden Wirkung auch begrenzt viruzid, also wirksam gegen behüllte Viren wie etwa Influenza oder SARS-CoV-2. Besser sind allerdings Mittel, die zumindest die Wirksamkeit „begrenzt viruzid PLUS“ aufweisen und somit zusätzlich auch unbehüllte Noro-, Adeno- und Rotaviren inaktivieren.

Forschung: photodynamische Flächendesinfektion

Derweilen beschreitet die Forschung völlig neue Wege in der Flächendesinfektion. Am Universitätsklinikum Regensburg wird momentan im Rahmen des Forschungsprojekts PACMAN (Photo Active Cytotoxic treatment of Microorganism And a New quick test) eine eigens entwickelte photodynamische, antimikrobielle Oberflächenbeschichtung erprobt. Fällt Licht auf diese Oberflächen, entsteht kurzlebiger hochreaktiver Singulett-Sauerstoff, der Viren, Bakterien, Pilze, Biofilme und Sporen abtötet bzw. inaktiviert. Die Reichweite des gasförmigen Sauerstoffs liegt bei etwa 1 mm, was groß genug ist, um sämtliche Keime auf der beschichteten Oberfläche zu erreichen, zugleich aber auch gering genug, um nicht unkontrolliert in den Raum zu entweichen. Damit ist die Methode sicherer als z. B. ähnliche UV-Licht-basierte Verfahren. Das milde Oxidationsmittel tötet 99,99 % der Mikroben, verursacht jedoch keine Materialschäden. Weitere Vorteile bestehen den Forschern zufolge darin, dass die Beschichtung auch trocken wirkt und Bakterien laut aktuellem Wissensstand keine Resistenzen gegen Singulett-Sauerstoff bilden. Das Projekt läuft voraussichtlich noch bis Oktober 2023.

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