23. Juni 2022
Mit Blick auf Anforderungen aus dem Gesundheitswesen, gesetzlichen Rahmenbedingungen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen fällt es Personal in medizinischen Einrichtungen oft nicht leicht, für jede Situation die geeignete Flächendesinfektion zu finden. Orientierung gibt dabei der Industrieverband Hygiene und Oberflächenschutz für industrielle und institutionelle Anwendung e.V. (IHO) mit Geschäftsführer Dr. Thomas Rauch im Interview.

Sehr geehrter Dr. Rauch, wer profitiert von Ihrer Verbandsarbeit? 

Im Fokus der Arbeit des IHO steht die gewerbliche und professionelle Anwendung von Wasch-, Reinigungs- und Desinfektionsmitteln. Der Verband dient den Mitgliedsfirmen als Forum für Kommunikation und Information. Der IHO bündelt die Interessen sowie das Fachwissen der Branche und vertritt gemeinsame Anliegen gegenüber Dritten in der Gesellschaft. Eine wichtige Aufgabe des Verbandes ist es aktuelles Informationsmaterial für Anwenderinnen und Anwender verfügbar zu machen. So können sich Interessierte etwa ausführlich zum Thema Lebensmittelsicherheit informieren oder auf der Desinfektionsmittelliste des IHO kostenlos über die Wirksamkeit von Produkten informieren. Derzeit arbeiten Experten aus verschiedenen Fachbereichen an einer Neuauflage unserer Schriftenreihe „Desinfektion richtig gemacht“. Die ersten beiden Bände zur Händedesinfektion und der Band „Basiswissen“ werden im Juni kostenfrei auf der Website des IHO veröffentlicht. Wir haben in der Pandemie eine größere Verunsicherung bei der Auswahl und Anwendung von Produkten zur Desinfektion bemerkt – hier sehen wir ganz klar auch einen Auftrag für den Verband einer größeren Öffentlichkeit mit Fachwissen weiterzuhelfen. Auf unserer Website und auch auf unserem neuen LinkedIn-Profil werden außerdem Informationen, die nicht nur für Verbandsmitglieder relevant sind, veröffentlicht.

Ihr Verband setzt sich vor allem dafür ein, dass in Deutschland der Hygiene-Standard in allen Branchen sichergestellt wird, für welche Branchen setzen Sie sich vor allem ein und wo sehen Sie die größten Herausforderungen.

Die Produkte unserer Hersteller kommen im Gesundheitswesen, der Lebensmittelbranche (dies umfasst sowohl die industrielle Produktion, als auch die Tierhaltung), der Gebäudereinigung, der Großküchenhygiene, der professionellen Wäschereitechnik und der Metallindustrie und technischen Reinigung (dies umfasst z.B. die Fahrzeugreinigung) zum Einsatz. Für alle Bereiche gilt, dass die größte Herausforderung in der Chemikaliengesetzgebung liegt. Hier haben unsere Unternehmen teilweise mit langen Bearbeitungszeiten im Rahmen der Zulassungsverfahren zu kämpfen. Ein weiteres Beispiel ist die geplante Einstufung von Ethanol, einem wichtigen Wirkstoff für z.B. Produkte der Handhygiene. Hier droht, dass aufgrund der Einstufung dieser Wirkstoff für diese Anwendung nicht verwendet werden kann.
Im Gesundheitswesen werden die Produkte als Biozid-Produkte verwendet und entsprechend zugelassen. Je nach Anwendung kann allerdings auch eine Zulassung als Medizinprodukt erforderlich sein, zum Beispiel zur Desinfektion von Medizinprodukten. Hier haben die Hersteller von Medizinprodukten im Rahmen der Zulassungsverfahren mit einem absoluten Engpass an „benannten Stellen“ zu kämpfen. Nach in Kraft treten der europäischen Medizinprodukteverordnung (Medical devices regulation / MDR) stehen nur ca. 23 benannte Stellen zur Verfügung, die zwingend für die Zertifizierung dieser Produkte benötigt werden. Dieser Engpass verschärft sich noch vor dem Hintergrund, dass der Aufwand für die Zulassung als Medizinprodukt um das 7 – 10-fache gestiegen ist. Mögliche Konsequenzen können sein, dass ein Anteil von Unternehmen die entsprechende Zulassung nicht erhalten wird und das Portfolio an verfügbaren Produkten signifikant eingeschränkt wird.

Verbraucher- und Gesundheitsschutz, Lebensmittelsicherheit oder Hygiene im Arbeitsumfeld – Hygiene umfasst ein weites Themenfeld mit seinen verschiedenen Tätigkeitsfeldern. Wie decken Sie die individuellen Anforderungen und Aufgaben im weiten Themenfeld Hygiene ab?

Für die Hersteller von Produkten, Dienstleistungen und Systemen für Reinigung und Desinfektion, haben die Sicherung von Hygiene und Werterhalt in Industrie, Gewerbe und Institutionen hohe Priorität. Deshalb berät und unterstützt der IHO seine Mitgliedsfirmen insbesondere bei Fragen zu gesetzlichen Regelungen, besonders im Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz. Der Verband ist durch das gebündelte Fachwissen der kompetente Ansprechpartner für Wirtschaft, Fachöffentlichkeit, Behörden und Politik. Hierfür arbeitet der IHO eng mit den nationalen und europäischen Dachverbänden zusammen. Gemeinsam mit Experten von Partnerverbänden wie dem Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) sowie unseres nationalen Dachverbandes Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI) und des europäischen Dachverbandes A.I.S.E. gestalten Experten unseres Verbandes die Rahmenbedingungen der Branche der professionellen Reinigung und Hygiene mit. Zusammen mit den Kontakten zu Behörden, Ministerien, Institutionen und Parlamenten ergibt sich ein dichtes Netzwerk, das für die Sicherung eines hohen Hygienestandards, eines umfassenden Umwelt-, Gesundheits- und Anwenderschutzes sowie eines größtmöglichen Werterhalts wegweisend ist.

Wir befinden uns hier gerade auf dem 16. Kongress für Krankenhaushygiene in Berlin. Eines der Trendthemen ist u. a. auch die Flächendesinfektion und diese nicht nur im medizinischen Umfeld. Welche Anforderungen müssen Produkte heutzutage zur Flächendesinfektion erfüllen? 

Produkte zur Flächendesinfektion im Gesundheitswesen müssen heute zu einem großen Teil die Anforderungen von zwei Regularien erfüllen, der MDR und der Biozidgesetzgebung, da sie häufig neben der Desinfektion einer Vielzahl von Oberflächen im Krankenhaus auch zur Desinfektion von Medizinprodukten eingesetzt werden, z.B. von Patientenbetten. Grundlage für die Beurteilung der Wirksamkeit der Produkte sind Erfüllung der Anforderungen der europäischen Normen, die den Stand der Technik darstellen.

Wohin geht denn aus Ihrer Sicht der Trend in der modernen Flächendesinfektion bezüglich des Wirkspektrums?

Einen Trend bezüglich der Auswahl der Wirkspektren hinsichtlich des klinischen Stellenwertes können realistisch nur die Krankenhaushygieniker bewerten. Wir als Verband können immer wieder nur die Wichtigkeit Europäischer Normen für die Wirkspektren betonen. Diese sind für die Zulassung und Produktsicherheit ein wichtiger Bestandteil.

Umweltschutz, Nachhaltigkeit, aber auch Sicherheit und Hygiene – Wie ist ihre Meinung? Wird man diese Anforderungen im Bereich der Hygiene zukünftig noch besser vereinen können.

Diese Themen sind untrennbar miteinander verbunden. Zur Sicherung von Hygiene und Werterhalt in Industrie, Gewerbe und Institutionen müssen Reinigungs- und Desinfektionsmittel wirksam sein. Im Fall von Bioziden, zum Beispiel, liegt das Ziel der Wirkstoffe jedoch namentlich auf der Bekämpfung von Organismen. Das macht eine nachhaltige Anwendung dieser Produkte essenziell. Zum einen bedeutet dies, dass die Biozide einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit der gegenwärtigen Gesellschaft leisten sollte. Zum anderen sollte der Einsatz dieser Produkte so optimiert werden, dass keine ungewissen Risiken für die Umwelt und zukünftige Generationen entstehen. Um eine optimierte Verwendung zu ermöglichen, müssen Anwender richtig informiert und geschult werden, sodass Biozide beispielsweise nicht überdosiert werden. Der abgewogene Einsatz von Biozidprodukten ist auch in der EU-Biozid-Verordnung 528/2012 verankert.

Vielen Dank für das Gespräch. 

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